Es gibt noch Helden!
Das Pekinger Hip-Hop-Duo IN3 führt mit seinen Songs die aktuelle Hitliste verbotener Lieder in China an. Letztes Konzert in Kunming. Verhaftung. Auftrittsverbot. Einer der Künstler, Jia Wei hat China Richtung Amsterdam verlassen.
Noch im März veröffentlichte das Wirtschaftsmagazin Caixin ein Interview mit dem Ökonomen und Abgeordneten Jiang Hong. Der beklagte die zunehmende Zensur und verwies auf Chinas Verfassung. Chinas Verfassung garantiert Meinungs – und Redefreiheit. Der Artikel wurde von der Zensur sofort gelöscht. Daraufhin ließ der Chefredakteur Hu Shuli den Abgeordneten Jiang Hong erneut befragen – was er denn von der Zensur seiner Kritik an der Zensur halte? Jiang nannte die Löschung des Artikels „schrecklich und verwirrend“. Natürlich wurde auch dieses Interview prompt von der Zensur gelöscht. Auf diese Weise sorgt die Zensur dafür, dass Helden nicht aussterben!
Wie Kai Strittmatter in der SZ vom 16.3.2016 schreibt,
hatte das Magazin schon zuvor gegen die Zensur verstoßen. Es berichtete, dass sich im Volkskongress und in der politischen Konsultativkonferenz 107 der reichsten Chinesen mit einem Gesamtvermögen von 350 Milliarden Dollar tummeln.
In Zeiten stürmischen Wandels zeigen sich Wahrheiten deutlicher.
Die Wahrheiten wollen ans Licht/ sie steigen aus den Untergründen auf/sie brechen heraus aus den Spalten der Widersprüche/das Unbearbeitete quillt hervor aus zahllosen, sich öffnenden Poren/ an die Oberfläche.
Und prompt wüten Sie wieder, Zensur und Inquisition. Weltweit (nein, keine Liste, denn die wäre unvollständig). Verzweifelt bringen die Despoten ihre Knechte in Stellung. Kleine Paschas und Blockwarte/Schlägertrups für Strassen und Säle/Spitzel/Provokateure/ Inoffizielle Mitarbeiter/Bezahlte Lügner/Wir-konnten-nicht-anders-Amtsträger/Höfische Speichellecker, die Heute diesen, Morgen jenen preisen/Kontrolleure/Zensoren/Inquisitoren/Folterknechte. Der Kampf gegen die Subversion der Wahrheiten kennt viele Mittel. Brot und Spiele. Zuckerbrot und Peitsche. Verführung, Desinformation und Propaganda. Panikmache und Schönfärberei. Terror und heiliges Säuseln.
Törichtes, lächerliches Unterfangen! Am Ende ist jeder Versuch, die Wahrheiten zu deckeln, vergebens. Warum? Weil solche Versuche Entwicklung verhindern. Sie enden im totalitären Nirwana. In der Asche der Inquisition. Im Grau Nordkoreas. Auf den Killing Fields. Im Schwarz der Kalifate. Oder im Grauen germanischer Gaskammern.
Ja, die Wahrheiten sind subversiv! Die Wissenschaften sind subversiv! Die Künste sind subversiv! Ohne Subversion keine Entwicklung! Ohne Subversion keine Wissenschaften, keine Künste! Kein Malen, Dichten, Spielen, Singen. Die Wirklichkeit ist subversiv.
Und komme mir nun bitte keiner damit, das sei eine „europäische Weisheit“, die in anderen Zeiten, Regionen, Kulturen oder Gesellschaftssystemen vielleicht keine Gültigkeit habe.
In den Archiven der Zensoren finden wir die Ideen von Morgen/In den Gärten des Verbotenen blüht die Kunst/schon immer und überall/ Wer etwas über die Geschichte der Wahrheiten wissen will/der schaue auf die Zensurlisten.
Die Suche nach Wahrheiten und die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit lassen sich so wenig aufhalten, wie die Bewegungen der Sterne im Universum.
Nichts bewegt die Menschen mehr als die Freiheit, die Wahrheit zu erkunden.