Von weiter weg sehen wir einen blauen Planeten, der von einer hauchdünnenSchutzschicht eingehüllt wird, der Atmosphäre. Ohne die Atmosphäre gäbe es keine Luft zum atmen, wir könnten nicht überleben.
Aber Menschen brauchen nicht nur Luft zum atmen. Menschliche Wesen brauchen Freiheit. Die Sehnsucht nach Freiheit gehört zu uns wie der aufrechte Gang. Seitdem wir in kleinen Gruppen umherwandern, Nahrung, Spiel und Bedeutung miteinander teilend, folgen wir der Spur der Freiheit. Versklavt, geknechtet, unterdrückt verkümmern die Seelen, und träumen doch, noch im tiefsten Fallen, von der Freiheit.
Der blutige Leidensweg der Versklavung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen ist ohne die Sehnsucht nach Freiheit nicht zu verstehen.
Menschen suchen nach Möglichkeiten, Räume des Zusammenlebens frei zu gestalten. Menschen streben in Möglichkeitsräume, in denen sie sich nach eigenem Willen entwickeln können. Auf diesem Weg lernen die Menschen allmählich aber unausweichlich, dass die eigene Freiheit immer auch die Freiheit des Anderen ist. Ohne die Freiheit des Anderen erfüllt sich die Freiheit nicht, sie bleibt bedeutungslos.
Die Freiheit, die zugleich zur Freiheit der Anderen wird, braucht, wie der blaue Planet, eine Schutzhülle. Eine Schutzhülle aus Regeln für das Zusammenleben, und Institutionen und Menschen, die für die Einhaltung und Weiterentwicklung des Regelwerks sorgen. Eine solche Schutzhülle wurde nach der Befreiung vom Faschismus in der Bundesrepublik aufgebaut.
Die demokratische Schutzhülle scheint ziemlich stabil, und dennoch ist sie ähnlich dünn und fragil wie die Atmosphäre. Die (im Vergleich) große Freiheit demokratischer, offener Gesellschaften macht diese stark und attraktiv und gleichzeitig angreifbar und verletzlich. Die Feinde der Freiheit sind zahlreich, sie kommen aus den Machtzentralen und aus dem „einfachen Volk“, sie kommen von oben und unten, aus der Mitte und vom Rand, von Innen und Außen.
Ja, die Demokratie, die Schutzhülle der Freiheit, kann leicht zerstört werden. Wenn verantwortungslose und ahnungslose Eliten die Glaubwürdigkeit untergraben und ein Teil des „Volkes“ die Schnauze von „denen da oben“ gründlich voll hat, schwinden die Widerstandskräfte der Demokratie (Wie im Fiebertraum springen dann alle möglichen Clowns aus den Kästen, lächerlich und monströs zugleich, Phantasten von links bis rechts, die davon träumen, die Freiheit durch Diktatur oder Anarchie zu sichern, oder gleich abzuschaffen).
Auf diese oder andere Weise sturmreif geschossen könnten westliche Demokratien tatsächlich zur Beute fundamentalistischer Menschenfeinde werden, die in den Freunden der Freiheit ihren Hauptfeind erkannt haben.
So lernen die Demokraten gegenwärtig erneut: Nur wer bereit ist, für die Werte der Demokratie einzustehen und zu kämpfen, wird die Freiheit erhalten.
Der Verfassungspatriot Ahmad Mansour hat dazu einen glänzenden Essay verfasst: (1)Integration: „Ich kam mir minderwertig vor“ – Gesellschaft – Süddeutsche.de
Als Zuwanderer in Deutschland war Ahmad Mansour erst verloren, die ersten Monate empfand er als beinahe traumatisch. Bis er bereit war, seine neue Heimat zu achten und zu lieben – mit allen Schwierigkeiten.