Trümmer-Trump in Trümmerland – Das häßliche Gesicht der USA

SZ vom 9./10.1.2021: Ein wahres Gesicht , Von Christian Zaschke

(siehe auch eigenen Beitrag Trümmer-Trump

Die Präsidentschaft von Donald Trump hat im Angriff seiner Anhänger auf das Kapitol ihren logischen und vielleicht unvermeidlichen Kulminationspunkt gefunden. Die Saat aus Lügen, Wut und Hass, die er vier Jahre lang gesät hat, ist nicht bloß aufgegangen, sondern zur finsteren Blüte gereift. Auf die Frage, ob der Spuk damit ein Ende hat, ob das Drama mit diesem dunklen Höhepunkt beendet ist, gibt es eine beängstigende Antwort: mit ziemlicher Sicherheit nicht. 

Es ist nur allzu gut möglich, dass die amerikanische Demokratie in eine Todesspirale eingetreten ist, und das liegt nicht an Trump allein, aber es liegt vor allem an Trump. Der Präsident trägt die persönliche Schuld für das, was auf dem Capitol Hill passiert ist. Der 6. Januar wird für immer der Tag sein, der seine Amtszeit definiert. Niemand, der nicht ideologisch verblendet ist, kann mehr daran zweifeln, dass Donald J. Trump als bisher schlechtester Präsident in die amerikanische Geschichte eingehen wird. 

Auch viele republikanische Politiker haben jetzt endlich verstanden, dass sich Trumps Furor ebenso gegen sie wendet wie gegen die Opposition, dass er sie im Grundsatz ebenso verachtet wie die Demokraten. Dass er vor nichts haltmacht, um seinen Willen zu bekommen, und dass er seinen niederen Instinkten ausgeliefert ist. Seit vier Jahren sitzt ein Mann im Weißen Haus, der eine kolossale Kraft der Zerstörung ist. 

Shakespeares Figuren sind zur Selbstreflexion fähig 
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Manche Kommentatoren haben diese letzten Tage Trumps mit den Theaterstücken Shakespeares verglichen, aber das ist eine Beleidigung für diesen wohl größten aller Dramatiker. Shakespeares Figuren sind dreidimensional. Sie sind, selbst wenn ihre Seelen von Boshaftigkeit durchdrungen sind, immer zur Selbstreflexion fähig. Auch den lächerlichsten Einfaltspinseln in seinen Stücken wohnt mehr Tiefe inne, mehr Leben als dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. 

An Donald Trump ist nichts Gutes. Das ist der Unterschied zu ausnahmslos jeder Figur, die Shakespeare erschaffen hat. Trump ist ein unsicherer, gefallsüchtiger Geck, ein schwarzes Loch der Liebesbedürftigkeit. Nichts weist über ihn hinaus. Er ist die fleischgewordene Essenz kleingeistiger Impulse, er ist die totale Reduktion auf simpelste Affekte und Begierden. 

Die Optimisten in Washington hoffen verhalten, dass dieser Tag der Randale ein Weckruf war, vielleicht gar eine Katharsis. Und ja, das könnte für manche Mitglieder der Republikanischen Partei so sein. Es gibt Absetzbewegungen von Trump, manche führende Republikaner blicken auf diesen Trümmerhaufen einer Präsidentschaft und scheinen sich zu fragen: Mein Gott, was haben wir getan? Sie scheinen zu erwachen aus einem Albtraum, sie scheinen jetzt, mit vier, fünf Jahren Verspätung, zu erkennen, dass sie wie unter einem Fluch gelebt haben. 

Für die Mehrheit von Trumps Anhängern gilt nichts von all dem. Sie stehen weiter treu zu ihrem Götzen. Es war kein Versehen, dass 74 Millionen Menschen dieser mit gröbstem Pinsel gemalten Karikatur eines Präsidenten ihre Stimme gegeben haben. Neben der Verehrung für Trump eint sie vor allem und vielleicht noch viel mehr die Verachtung für die andere Seite, für das andere Amerika. 

Der Trumpismus wird in den USA auch ohne einen Präsidenten Trump fortleben, und wenn sein Nachfolger Joe Biden sagt, die vordringlichste Aufgabe sei es nun, das Land zu einen, dann ist das einerseits richtig. Andererseits ist es Augenwischerei. 

Biden sagte nach den Krawallen, dies sei nicht das wahre Amerika. Das stimmt nicht. Tatsächlich hat sich in den Ausschreitungen ein wesentlicher Teil des wahren Amerikas der Gegenwart gezeigt. Unversöhnlich, misstrauisch, wütend. Womöglich kann man manche Trump-Wähler noch mit rationalen Argumenten erreichen, aber mit den Menschen, die auf das Kapitol gezogen sind, ist kein Dialog mehr möglich. Das gilt ebenso für Abermillionen Trump-Anhänger im ganzen Land. 

Eine Wutmaschine, angetrieben von Zorn und Angst 
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Diese bilden eine Wutmaschine, die angetrieben wird von brennendem Zorn, von Verschwörungstheorien und einer tief sitzenden Angst vor einer sich wandelnden Welt. Diese Treibstoffmischung ist in den USA gerade in sehr großer Menge vorhanden. 

Wenn man es hochtrabend formulieren wollte, könnte man sagen, der Trumpismus bedeute die Abkehr von den Prinzipien der Aufklärung, mithin die Rückkehr des Menschen in seine selbst verschuldete Unmündigkeit. Wenn man es weniger vornehm ausdrückt, kann man auch einfach sagen, das Land wurde von Idioten gekapert. 

Viele Kommentatoren weisen darauf hin, dass die Institutionen doch gehalten haben. Das ist wahr, wenn sie auch nur unter Ächzen und Stöhnen so gerade eben noch gehalten haben. Ob das bei einem ähnlichen Angriff, wie ihn die Amtszeit von Donald Trump bedeutete, nochmals gelingt, ist alles andere als sicher. 

Zudem ist es nicht mehr die entscheidende Frage, ob die Institutionen gehalten haben, denn was nicht gehalten hat, ist das Volk. Die amerikanische Bevölkerung ist zerbrochen, und es ist die Art von Bruch, von der man nicht weiß, ob sie zu reparieren ist. 

Schwer zu sagen, wann diese Entwicklung begonnen hat. Vielleicht unter Ronald Reagan, als die Republikaner die demokratischen Wähler in den Südstaaten mit Rassismus umwarben. Vielleicht in den Folgejahren, als die Wahlkämpfe immer aggressiver wurden, polarisierter, als der politische Gegner verteufelt wurde. 

Richtig Fahrt aufgenommen hat dieser Prozess der strikten Lagerbildung in den vergangenen zehn bis 15 Jahren, in denen Kabelsender wie Fox News und die sozialen Medien als Brandbeschleuniger wirkten. Als Trump, dem Spaltung und Hetze als Selbstzweck dienen, sein Amt antrat, waren die USA bereits schwer beschädigt, und dass er gewählt wurde, war ein Symptom dieser Beschädigung. 

Wenn er in wenigen Tagen aus dem Weißen Haus geleitet wird, hinterlässt er als Erbe ein Land, dessen Seele vergiftet ist. Amerika ist, mit einem Wort: kaputt. 

Christian Zaschke 
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Christian Zaschke stieß 2001 zur Süddeutschen Zeitung. Bis 2011 arbeitete er in der Zentralredaktion in München, meistenteils als Sportreporter und Streiflichtautor. Von 2011 bis 2017 war er politischer Korrespondent in London, zuständig für das Vereinigte Königreich und die Republik Irland. Seit 2017 ist er Korrespondent in New York. Zaschke studierte Anglistik, Germanistik und Geschichte in Kiel, Edinburgh und Belfast. Er ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule in München. 

Über Jan Bleckwedel

Psychologe und Autor
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